/Coronakrise bringt Indien auf die Überholspur
Vom Bargeld zum Online-Zahlungsverkehr: Der E-Commerce boomt
Laut Verma stand Indien plötzlich vor neuen, großen Herausforderungen, als die Modi-Regierung Mitte März letzten Jahres den ersten Lockdown ankündigte. „Indien wurde über Nacht abgeriegelt und niemand durfte sein Haus verlassen. Alles, sogar Lebensmittel, musste geliefert werden. Infolgedessen ist das Online-Shopping in Indien von einem Tag auf den anderen zur Alltäglichkeit geworden. Wir sehen sogar einen Anstieg der Online-Autoverkäufe. Normalerweise gehen wir hier in Indien gerne in große Einkaufszentren, aber jetzt versucht jeder, sich so weit wie möglich von großen Menschenmassen fernzuhalten. Online-Shopping ist eine effiziente und sichere Lösung und wird sicherlich weiterhin bevorzugt werden, auch nachdem die Bevölkerung durchgeimpft sein wird.“
Obwohl es in Indien völlig normal ist, für ein online bestelltes Produkt an der Tür bar zu bezahlen, ermutigten die großen Online-Plattformen wie Amazon India, BigBasket, Flipkart und Zomato ihre Kunden, Online-Zahlungsoptionen wie E-Wallets, Kreditkarten, Debitkarten, Online-Banking usw. zu nutzen. Aufgrund der Ausgangssperre, war es nämlich sehr schwierig zu den Bankautomaten zu kommen und Bargeld abzuheben. In dieser Situation wurden diejenigen, die Online- oder E-Zahlungen akzeptierten, zur Standardwahl. Laut Verma ist dies eine sehr wichtige Entwicklung für Unternehmen, die planen, den indischen E-Commerce-Markt zu erschließen.
Indien wird China vom Thron stoßen: Indien ist auf dem Weg, größter Produktionsstandort weltweit zu werden
Bis zum Ausbruch des COVID-19-Virus dachten Unternehmer sofort an China, wenn sie ihre Fertigung auslagerten. Aber die aktuelle Situation zeigt nun, dass es klug ist, sein Risiko zu streuen. Fokker Elmo hat das getan, indem sie nicht eine zweite Fabrik in China, sondern eine neue in Indien aufbauten. Von dieser Entscheidung profitiert das Unternehmen jetzt in der Krise. Verma sieht, dass auch die indische Regierung diese Chance ergreifen will. „Eine der großen Herausforderungen, wenn man in Indien produzieren will, ist der Kauf von Industrieland. Die Bundesstaaten sind deshalb angewiesen worden, nach Land zu suchen, welches dafür zur Verfügung gestellt werden kann. Das taten sie mit Erfolg. Insgesamt steht nun eine Fläche von der doppelten Größe Luxemburgs für Produzenten zur Verfügung, die planen, von China nach Indien umzuziehen oder eine zweite Produktionsstätte zu eröffnen.“
„Indien will sich auch stärker als Exportland profilieren“, sagt Verma. „Wir werden daher sehen, dass die Vorschriften für Unternehmen gelockert werden, die in Indien produzieren, jedoch nicht mit ihren Produkten auf den indischen Markt gehen. Ein Beispiel dafür ist General Motors. Seit 2017 schon verkaufen sie nicht mehr in Indien, produzieren aber weiterhin für den Export.“ Die neue indische PLI-Förderung (Production Linked Incentive) unterstützt dieses Ziel weiter. Diese Regelung ermöglicht es Herstellern von Smartphones beispielsweise, ihre Produktion sehr vorteilhaft nach Indien zu verlagern. „Apple kommt also nach Indien und wie wir wissen, hat Samsung bereits die größte Handyfabrik der Welt in Noida aufgebaut. Unsere Regierung möchte auf diesem Erfolg aufbauen, daher erwarte ich, dass es auch für andere Branchen Anreize geben wird.“
Indien sucht nach technologischen Lösungen, die den menschlichen Kontakt begrenzen
Der Ausbruch des Coronavirus in Indien hat laut Verma den Bedarf an Selbstbedienungsoptionen erhöht. „Internationale Unternehmen, die über diese Art von technologischen Lösungen verfügen, sollten unbedingt den indischen Markt als Absatzmarkt in Betracht ziehen. Optimalerweise sollten diese Lösungen den Bedarf an menschlichem Kontakt für einfache alltägliche Aufgaben, wie das Waschen des Autos oder das Bezahlen an einer Selbstbedienungskasse, reduzieren. Aufgrund der aktuellen Situation gibt es ein großes Interesse an Lösungen, die selbstständig oder sogar aus der Ferne ausgeführt werden können. Das gilt nicht nur für den Konsumsektor, sondern auch für Vertrieb, Landwirtschaft und dem medizinischen Bereich.“
Darüber hinaus erwartet Verma, dass Indien internationalen Unternehmen auch im Bereich hoch qualifizierter Arbeitskräfte mehr bieten kann. „Normalerweise sehen wir eine Menge junger, intelligenter und technisch ausgebildeter Inder, die ins Ausland abwandern, um sich weiterzubilden oder eine Arbeitsstelle zu finden. Wegen der Coronakrise ist dies aber im Moment unmöglich. Indien hat deshalb zurzeit weniger Brain-Drain (Talentabwanderung). Diese hoch gebildete Gruppe von jungen Menschen möchte ihre Karriere in einer internationalen Organisation beginnen oder kann ihre neuen Start-Up Unternehmungen vorstellen. Dies schafft Arbeitsplätze innerhalb Indiens und fördert das Wirtschaftswachstum. So entsteht eine Win-Win-Situation auch für internationale Unternehmen, die nach motivierten und ehrgeizigen Talenten suchen.“
„Be vocal about local“
Um das Land aus der Coronakrise zu führen, gibt es einen Unterstützungsplan der indischen Regierung, der sehr auf Isolation setzte. Premierminister Modi ermutigte seine Bevölkerung, so viele indische Produkte wie möglich zu kaufen: „be vocal about local“. „Dennoch sollten sich internationale Unternehmen keine Sorgen um ihre Position im Land machen. Indien ist sehr darauf bedacht, mehr ausländische Investitionen anzuziehen“, sagt Verma. „Normalerweise importiert Indien Milliarden von Produkten aus China. Der Ausbruch des Virus drängt uns nun dazu, weniger abhängig von Importen zu sein. Die Aussage „vocal for local“ soll also ausländische Unternehmen nicht davon abhalten, nach Indien zu kommen. Sondern die Inder ermutigen, mehr Produkte im eigenen Land zu produzieren. Gleichzeitig sehen wir die Ankunft ausländischer Unternehmen als eine große Chance für unser Land.“